|
|
|
Seemannschaft mit Wilfried Erdmann
Verschiedene Tipps und Erfahrungen auf Basis von Frage und Antwort. Neben den detaillerten Ausführungen können hier die kurzen Tipps nachgelesen werden.
Wie ist das mit dem Trockenfallen?
Eine fabelhafte Frage, die mich eifrig werden läßt. Ganz sicher würde Trockenfallen den Schiffsunterhalt wesentlich verbilligen. Und vereinfachen. Eben mal an einer Kaimauer oder einem Wrack bei Springtide das Unterwasserschiff reinigen, neue Antifouling aufbringen oder Schäden beheben am Propeller, Ruder und anderen exponierten Stellen. Wir haben das in früheren Jahren gemacht in Casablanca, auf der Pazifikseite des Panama-Kanals, in Neuseeland und Port Moresby. Das war nicht immer toll, wegen der Eile litt die Sorgfalt der Arbeiten und dann war da noch die Sorge ums Schiff. Mal sackte das Boot kopfüber weg, ein anderes Mal, erinnere ich mich, rutschte der Kiel seitlich weg, sodaß das Rigg in Gefahr kam. Der Boden war zu locker. Dabei handelte es sich um ein Stahlschiff mit grindigem Kiel, dieser Riesenbauchflosse, die verhältnismäßig sicher stehen sollte.
Ja. Sollte!
Um das Boot vorm Umkippen oder vor Schäden beim Trockenfallen zu sichern, muß das Manöver vorbereitet und organisiert werden.
Zuerst ermittelt man Tidenhub, Zeit und Wassertiefe. Mindestens das Eineinhalbfache des Bootstiefganges wären gut. Springtide und Tageszeit sind ebenso eine ideale Voraussetzung. Dann schaut man sich den Grund an, auf dem der Kiel ungehindert aufsitzen soll. Abzuraten ist vorm Trockenfallen auf schrägen Rampen. Geeignet sind eher Kaimauern. Traumhaft Pfähle. Mäßig nutzbar Wracks. Stehen sie doch meist nicht senkrecht und außerdem ist an ihnen schwer zu vertäuen.
Auf keinen Fall darf die seitliche Krängung zu stark sein, daß Wanten und Saling mit der Pier ins Gehedder kommen. Drei bis vier Grad erscheinen mir richtig. Es ist zu berücksichtigen, daß Fender, die den Abstand halten nachgeben. Große Fender sind vorteilhaft, um einen ausreichenden Arbeitsabstand zum Kai zu halten, dies ist wichtig damit in ein und derselben Tide, die erforderlichen Arbeiten am Unterwasserschiff ganz zu Ende geführt werden können. Auch ein ordentliches Fenderbrett sorgt für Festigkeit und solide Distanz. Alle Festmacherleinen sind nach der Grundberührung also dem Aufsitzen sofort durchzusetzen. Um das direkte Umkippen zur Seite zu verhindern, wird ein mehrfach geschorenes Quertau vom Mast zum Pier gezurrt.
Zum Trockenfallen auf Stützen. Das ist nur möglich, wenn die Stützen entsprechend ausgelegt sind, der Grund eben, fest und von einheitlicher Beschaffenheit. Sand und Kiesgrund sind gute Bedingungen. Aber diese Methode kommt sicherlich für Blauwasseryachten nicht in Frage. Wer hat schon entsprechende Pfähle an Bord.
Insgesamt betrachtet kann selbst an Kaianlagen das Trockenfallen mit den heute üblichen Kurzkielern schon zur Qual werden. Sie halten nur auf ebenem Kiel die Balance, dazu kommt die Furcht um das freihängende Ruder. Aus diesen Gründen ist Trokkenfallen aus der Mode gekommen. Eine weitere Erklärung ist, die Schiffe sind wesentlich größer geworden und haben dementsprechend mehr Unterwasserfläche. Laut Trans-Ocean Veröffentlichungen hat die deutsche Durchschnittsyacht auf Weltreise 1,97 Meter Tiefgang. Da sie zumeist überladen ist, kann von 2 Metern ausgegangen werden. Logisch, daß bei dieser Tiefe eine Reihe Häfen und Regionen mangels ausreichend Tidenhub ausfallen. Hinzu kommen die Gegebenheiten: Um eine saubere Arbeit abzuliefern, müssen Frischwasser, eine Abfallentsorgung, fester Boden, eine Dusche vorhanden sein. Warum aber wesentlich weniger Schiffe trockenfallen liegt an der Tatsache, daß es inzwischen weitaus mehr Möglichkeiten gibt, das Boot in einer Werft herauszuholen.
Wir Monosegler beneiden die Kimm- und Multiszene. Eigner dieser Fahrtenkreuzer haben solche Probleme nicht. Können sie doch mit ihrem rund einen Meter Tiefgang annährend überall freiwillig stranden.

|